Diagnose
1. Legasthenie oder ‚nur’ LRS?
Bei der Frage der Diagnostik ist zwischen der sog. medizinischen und der sog. pädagogischen Position zu unterscheiden. Mit anderen Worten: Es ist zu klären, ob es um eine Legasthenie im engeren Sinne geht oder ob „lediglich“ Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) festgestellt werden sollen. Diese Unterscheidung ist zwar wissenschaftlich umstritten, wird aber in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Schule, sehr häufig gemacht. Wichtig: Die Diagnostik kann bei beiden Positionen nicht die Ursachen klären, sondern schließt aufgrund verschiedener Faktoren (Symptome) auf das Vorliegen einer Legasthenie bzw. LRS.
2. Die medizinische Diagnostik
Ziel der medizinischen Diagnostik ist die Feststellung einer Dyslexie bzw. Legasthenie entsprechend der ICD 10
Klassifizierung von Krankheiten und Störungen. Sie darf nur von Fachärzten durchgeführt werden. Den Kern des medizinischen Feststellungsverfahrens bildet die sog. Diskrepanzdiagnostik. Danach liegt eine Legasthenie dann vor, wenn ein deutlicher Unterschied zwischen den Lese- und Rechtschreibleistungen einerseits und dem Intelligenzgrad andererseits feststellbar ist. Es kommen im Rahmen der medizinischen Diagnostik noch ergänzende Verfahren zur Geltung, die jedoch an dieser Stelle aus Platzgründen nicht dargestellt werden können.
3. Die pädagogische Diagnostik
Die pädagogische Position unterscheidet nicht zwischen den beiden oben beschriebenen Kategorien ‚Schwäche’ und ‚Störung’ sondern will alle Menschen mit Auffälligkeiten bzw. besonderen Schwierigkeiten beim Erwerb der Rechtschreibung und/oder des Lesens erfassen. Dabei spielt der Intelligenzgrad und folglich auch die Diskrepanz zwischen IQ und Lese-Rechtschreibleistungen keine Rolle. Eine LRS liegt dann vor, wenn Menschen z.B. ungewöhnlich viele Fehler machen, die Fehler resistent sind, und / oder ein deutlich verlangsamtes Lese- und Schreibtempo vorliegt. Die Feststellung kann von psychologisch und linguistisch geschulten Experten, aber auch von Deutschlehrerinnen und -lehrern vorgenommen werden.
4. Welche Diagnostik gilt in der Schule?
Die Schulbehörden der meisten Bundesländer haben sich den pädagogischen Ansatz zu eigen gemacht und die Details des Diagnoseverfahrens in schulrechtlichen Bestimmungen geregelt. Die Diagnostik soll von Schulpsychologen oder Lehrkräften, die das Fach Deutsch unterrichten, durchgeführt werden. Einige Bundesländer wie Bayern, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern hingegen orientieren sich auch an der medizinischen Sichtweise und unterscheiden in ihren schulrechtlichen Vorgaben zwischen Legasthenie und der Lese-Rechtschreib-Schwäche.