rechtliche Vorgaben
KMK Grundsätze:
Eine der Prüfung unmittelbar vorangegangene mehrjährige schulische Förderung ist ein Indiz für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs. Die schulische
Förderung soll dokumentiert sein. (S. 4)
APO-GOSt:
Die Gewährung einer Verlängerung der Vorbereitungs- und Prüfzeiten ist zu dokumentieren. (VV zu § 13. 7)
... Bei der Abiturprüfung ist die Verlängerung von Vorbereitungs- und Prüfungszeiten in der Regel nur dann zulässig, wenn diese Form des individuellen Nachteilsausgleichs Gegenstand der bisherigen Förderpraxis für die Schülerin oder den Schüler war. Das gilt auch für die Zulassung sonstiger Ausnahmen vom Prüfungsverfahren. (APO-GOSt 13.8)
Arbeitshilfe Sekundarstufe II und Abitur:
„4.1 Wie wird Nachteilsausgleich in der Gymnasialen Oberstufe beantragt und genehmigt?
Die Schulleitung legt nach Beratung mit der Stufenkonferenz und Rücksprache mit der Schülerin oder dem Schüler sowie den Erziehungsberechtigten Art und Umfang des Nachteilsausgleichs für die einzelnen Fächer fest. Dieser wird in der Schülerakte dokumentiert, allen Beteiligten bekannt gegeben und ist bindend. Er wird regelmäßig überprüft und ggf. an veränderte Bedingungen angepasst.“
„4.2 Wie wird Nachteilsausgleich im Abitur beantragt und genehmigt?
…. Die Beantragung eines Nachteilsausgleichs ist plausibel und nachvollziehbar zu begründen. Maßgeblich ist dabei die Dokumentation des bis zur Antragstellung gewährten Nachteilsausgleichs."
Umsetzung durch Bezirksregierungen und Schulen
Die Bezirksregierungen geben die landesweit festgelegten rechtlichen Regelungen weitgehend unverändert an die Schulen weiter.
Sie besteht darin, dass ein Nachteilsausgleich in der Abiturprüfung nur dann möglich ist, wenn ein entsprechender Nachteilsausgleich auch in den drei Jahren zuvor umgesetzt worden ist und wenn die Schule diese Praxis dokumentiert hat. Für einen Nachteilsausgleich bei den Klausuren, die im Verlauf der Sekundarstufe II geschrieben werden, gelten diese beiden Bedingungen nicht.
In einigen Ausnahmefällen gehen Schulen über die rechtlichen Vorgaben hinaus, indem sie für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs zusätzlich noch die Teilnahme an einer "attestierten Therapie" fordern.
Kommentar
Die rechtlichen Vorgaben machen einen Unterschied dabei, ob ein Nachteilsausgleich für Klausuren im Verlauf der Sekundarstufe II oder im Abitur gewährt werden soll. Weder die APO-GOSt noch die entsprechende Arbeitshilfe erwähnen bzgl. der Klausuren in der Sekundarstufe II einen in der Sekundarstufe I gewährten Nachteilsausgleich noch deren Dokumentation. Selbstverständlich kann aber die Dokumentation eines zuvor gewährten Nachteilsausgleichs bei einem Neuantrag zu Beginn der Sek II äußerst hilfreich sein; dies ist aber keine Bedingung, die erfüllt werden muss.
Anders bei der Abiturprüfung. Hier legen die rechtlichen Vorgaben fest, dass ein Nachteilsausgleich in der Sekundarstufe II gewährt und dokumentiert wurde.
Die Nrw-spezifische Abiturregelung geht jedoch insofern über die KMK-Grundsätze hinaus, in denen eine "unmittelbar vorangegangene mehrjährige schulische Förderung" lediglich als ein Indiz, nicht aber als eine Vorbedingung für die Gewährung eines Nachteilsausgleichs gilt. Dabei stellt sich die Frage, ob die KMK damit tatsächlich eine Förderung im eigentlichen Sinne meint oder einen Nachteilsausgleich als solchen bereits als Förderung versteht.
Der Nachteilsausgleich beruht rechtlich gesehen auf dem Grundrecht, dass Niemand wegen einer Behinderung
benachteiligt werden darf, insofern also einen Anspruch auf Ausgleich der Behinderung hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es problematisch, dass Landesbehörden und in der Folge die Schulen die
Einlösung eines Grundrechts von Vorbedingungen abhängig machen. Diese Praxis ist erst recht fragwürdig, da die Erfüllung der Vorbedingungen (vorausgegangener Nachteiilsausgleich, schulische
Dokumentation) gar nicht in der Hand der Betroffenen selbst liegt.