Verwendung der Zusatzzeit - rechtliche Vorgaben
Eine Zeitverlängerung kann aus der Verlängerung der Auswahlzeit (bei Auswahlaufgaben) und / oder aus der Verlängerung der Arbeitszeit bestehen. Die Zeitverlängerung wird in den rechtlichen Bestimmungen als "Arbeitszeit" vorgegeben. Wenn es sich um Klausuren handelt, bei denen zwischen Aufgaben ausgewählt werden kann, ist von einer "Auswahllzeit" die Rede. Eine genauere Bestimmung, wie ein Prüfling die Zeitzugabe nutzen kann, gibt es weder in der APO-GOSt, noch in der entsprechenden Arbeitshilfe oder in den KMK-Grundsätzen.
Umsetzung an den Schulen
Ähnlich wie hinsichtlich der Dauer der Zeitzugaben zeigt sich auch bei deren Verwendung an vielen Schulen eine zunehmend einschränkende Tendenz. Sie besteht darin, dass nur ein Teil der Zusatzzeit als Arbeitszeit, ein anderer Teil als „Lesezeit“ und / oder als "Korrekturzeit" zu verwenden ist. Bisweilen wird auch die gesamte Zusatzzeit als „Korrekturzeit“ verfügt. Diese „Korrekturzeit“ soll ausschließlich zur Korrektur der zuvor gemachten sprachlichen Fehler verwenden werden. Wohl um dies besser kontrollieren zu können, ordnen einzelne Schulen an, die Korrektur mit einem andersfarbigen Stift vorzunehmen.
Diese Restriktionen werden auch von oberster Stelle, also vom Schulinisterium verbreitet. So wurden die Bezirksregierungen informiert, dass bei einer Rechtschreibschwäche "möglicherweise 15 Minuten Korrekturzeit nach Abschluss der inhaltlichen Arbeit" gewährt werden könne. Diese Formulierung übernimmt in der Folge beispielsweise die Bezirksregierung Düsseldorf und gibt sie als einzige Möglichkeit des Nachteilsausgleichs auf einem Merkblatt bekannt (download 2019). Im Regierungsbezirk Arnsberg teilt ein Gymnasium den antragstellenden Eltern 2018 mit: „Dieser Nachteilsausgleich beinhaltet: bei Klausuren: eine Einlesezeit von 5 Minuten und eine Korrekturzeit von 15 Minuten nach Fertigstellung der schriftlichen Leistungsüberprüfung (KEINE Arbeitszeitverlängerung)".
Kommentar:
Für diese Nutzungseinschränkungen gibt es keinerlei rechtliche Grundlage, ganz zu schweigen von einer sachlichen Begründung. Da es den Schülern verwehrt ist, die Zeitzugabe für eine weitere Bearbeitung der Aufgaben zu nutzen, wie es die Rechtsvorgaben bestimmen, und stattdessen nur eine sprachliche Korrektur zu erlauben, wird der Sinn des Nachteilsausgleichs aufgehoben, der ja darin besteht, den Prüflingen eine verlängerte inhaltliche Bearbeitung der Aufgabe zu ermöglichen. Die Vorgabe, die verlängerte Arbeitszeit ausschließlich für das Auffinden und Korrigieren zuvor gemachter formaler Fehler zu verwenden, stellt eine Ungleichbehandlung der Betroffenen gegenüber ihren Mitschülern dar, denn Letztere können über ihre Arbeitszeit frei verfügen, also selbst entscheiden, für welche Aspekte der Aufgabenbearbeitung sie wie viel Zeit aufwenden.
Die Aufforderung, dass Schülerinnen und Schüler am Ende einer Klausur ihre Rechtschreib-Fehler suchen und korrigieren sollen, verrät zudem ein eigenwilliges Verständnis der Legasthenie-Problematik. Sie sollen – in einer Stresssituation und in relativ kurzer Zeit - genau das tun, was sie nicht können, nämlich Rechtschreibregeln anwenden! Bei Flüchtigkeitsfehlern mag eine solche Korrektur möglich sein, aber die Fehler von Legasthenikern sind in der Mehrzahl eben keine Flüchtigkeitsfehler. Es stellt sich die Frage, welche Begründung und welche Intention hinter dieser neuartigen "Korrektur"-Praxis stehen. Fazit: Die neue „NRW-Korrekturregelung“ verstößt gegen mehrere schulrechtliche Vorgaben, indem sie diese nicht beachtet oder massiv einschränkt.