LRS-Feststellung
Die rechtlichen Grundlagen - Was steht im LRS-Erlass?
Die Erlass- und Schulrechtslage in Nordrhein-Westfalen orientiert sich eindeutig am pädagogischen Ansatz, nach dem unterschiedslos alle Schüler und Schülerinnen mit "besonderen Schwierigkeiten beim Lesen & Rechtschreiben" in den Blick genommen werden. Eine Trennung zwischen Schülern mit Legasthenie und solchen mit LRS wird bewusst nicht vorgenommen.
Der LRS-Erlass benennt als eine notwendige Aufgabe der Schule die Ermittlung der Schüler und Schülerinnen der Klassen 3 bis 10, die „besondere Probleme beim Erlernen des Lesens und der Rechtschreibung“ haben. Die Ermittlung dieser Zielgruppe obliegt dem Deutschlehrer bzw. der Deutschlehrerin:
"Die Lehrerinnen und Lehrer, die das Fach Sprache/Deutsch unterrichten, stellen .... fest, für welche Schülerinnen und Schüler zusätzliche Fördermaßnahmen notwendig sind. Dies kann auch auf Antrag der Erziehungsberechtigten geschehen." LRS-Erlass, Nr. 3.2
Als Kriterium gilt, dass die Lese- und /oder Rechtschreibleistung mindestens drei Monate lang den Anforderungen nicht genügen müssen, d.h. also mit ‚mangelhaft’ oder gar ‚ungenügend’ bewertet würden. Ein weiteres Kriterium dafür, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler unter die Regelungen des LRS-Erlasses fallen, gibt es nicht.
Umsetzung in der Praxis
Es steht natürlich allen Beteiligten frei, bei einem Verdacht auf LRS zusätzlich eine außerschulische Diagnose von einer psychologischen oder lerntherapeutische Stelle durchführten zu lassen, sei es, um den eigenen, subjektiven Eindruck zu überprüfen, oder um eine detaillierte diagnostische Grundlage für die Förderung zu erhalten.
Einige Schulen sind dazu übergegangen, zu Beginn oder im Verlauf der 5. Klasse standardisierte RS-Tests einzusetzen, um so ein objektives Bild über die Fähigkeiten der neuen Schülerinnen und Schüler zu gewinnen.
Kommentar: Der Attest-Irrtum
Die Diagnosepflicht durch die Deutsch-Lehrkraft sowie das Kriterium zur Bestimmung der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist an vielen Schulen weitestgehend unbekannt - oder wird hier und da schlicht missachtet. Stattdessen ist die irrige Auffassung äußerst weit verbreitet, dass Eltern ein Attest über die LRS bzw. Legasthenie ihrer Kinder in der Schule vorlegen müssen, damit diese unter die Bestimmungen des LRS-Erlasses fallen. Es ist nicht überraschend, dass diese Meinung unter Eltern fast ebenso weit verbreitet ist.
In zweifacher Hinsicht widerspricht die Praxis an vielen Schulen also der Erlasslage ebenso wie der dahinter stehenden pädagogischen Absicht: die Verlagerung der ‚diagnostischen’ Aufgabe aus der Schule heraus und die Kopplung der Erlassanwendung (Nachteilsausgleich, Notenschutz) an eine Attestvorlage. Diese Praxis ist unzulässig. Erst recht darf der Besuch einer außerschulischen Therapie nicht zur Bedingung für einen Nachteilsausgleich oder Notenschutz gemacht werden.